Neuartiges Knochenersatzmaterial zur effektiveren Knochenheilung: Hybrid-KEM

Die Herausforderung: Wie verringern Forscher:innen der H-BRS Knochenschwund?
Auf diese Frage möchte ein interdisziplinäres Team der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Antworten finden. Im Projekt Hybrid-KEM entwickelt die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Steffen Witzleben hybrides Knochenersatzmaterial (Hybrid-KEM). Damit soll zum einen die Knochenheilung in Orthopädie, Chirurgie und Zahnmedizin in Zukunft optimiert und Knochenschwund (Osteoporose) bekämpft werden.
Dem hybriden Knochenersatzmaterial kommen dabei zwei wesentliche Funktionen hinzu. Es soll den Stoffwechsel ankurbeln sowie bisherige Osteoporose-Medikamente optimieren. Vor dem Hintergrund, dass Schätzungen der internationalen Osteoporose Stiftung zufolge jährlich ca. 900.000 Menschen in Deutschland ab 50 Jahren an Osteoporose erkranken, könnten sich die Ergebnisse aus Hybrid-KEM als wertvoll für die Praxis erweisen.
Die am häufigsten eingesetzten Medikamente gegen Osteoporose sind sogenannte BP-Wirkstoffe, die als Goldstandard gelten. Sie werden Bisphosphonate genannt, weil sie zwei Phosphonatgruppen (PO(OH)2)-Gruppen aufweisen.
Der Stoffwechsel soll durch Hybrid-KEM positiv beeinflusst werden. Ein weiteres Ziel ist die Kombination des Knochenersatzmaterials mit einer Erweiterung für BP-Wirkstoffe.
Was ist Hybrid-KEM – und was kann es mehr?
Das neue Knochenersatzmaterial besteht aus Phosphaten, Silicaten und weiteren Spurenelementen (anorganische Komponenten) sowie einem Polysaccharid (organische Komponente). Den Unterschied macht dabei das im organischen Material enthaltende Element Kohlenstoff. Kohlenstoffverbindungen spielen beim menschlichen organischen Material wie Zellen, Proteinen und der DNA die Hauptrolle. Sie bilden das Gerüst, das alles zusammenhält. Durch diese Zusammensetzung kann es dem natürlichen Knochengewebe besser nachempfunden werden als bisheriges synthetisches KEM, das hauptsächlich aus Calciumphosphaten besteht. Synthetische Knochenersatzmaterialien haben zudem keine osteoinduktive Wirkweise. Das heißt, sie sind nicht in der Lage, Knochenneubildung anzuregen.
Eine neue Generation von Medikamenten zum Knochenaufbau
Zunächst gehe es darum, dass Material in Zellkulturen zu testen, ehe Kleintierversuche zum Einsatz kommen, so Professorin Edda Tobiasch aus dem TREE, die ebenfalls an Hybrid-KEM mitwirkt.
Für eine erfolgreiche Markteinführung des Hybrid-KEMs und die Akzeptanz in der Bevölkerung sprechen die bereits vorhandenen Daten zu den Bisphosphonaten. Das sogenannte „Drug Repurposing“ könnte die Dauer bis zum Markteintritt verkürzen. Damit ist übersetzt die Neupositionierung von Arzneimitteln gemeint, die die Untersuchung bestehender Arzneimittel für neue therapeutische Zwecke umfasst.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen vielversprechende Effekte und könnten in eine neue Generation von Medikamenten für den Knochenaufbau- und Reparatur in der Zahnmedizin einfließen.
Krisensicher trotz Covid-19 und überflutetem Campus
Durch die anhaltende Covid-19-Pandemie und die Überflutung des Campus Rheinbach im Sommer 2021 wurden die Projektbedingungen auf die Probe gestellt.
Dank der Unterstützung der Kooperationspartner und Geldgeber konnte das Projekt dennoch fortgeführt werden.
Kooperation in Hybrid-KEM: komplexe Aufgabenstellung, viel Expertise
Hybrid-KEM ist ein Gemeinschaftsprojekt der H-BRS in Zusammenarbeit mit den Universitäten aus Bonn, Bochum, Jena, der RWTH Aachen sowie denen auf Knochenersatzmaterial spezialisierten Firmen Artoss GmbH und Spectral Service GmbH. Die Zusammenarbeit bewerten die Beteiligten als Erfolgsgeschichte.
Die Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen erfordert die Beteiligung vieler Fachexperten. Nur der fachliche Austausch und die vielfältigen interdisziplinären Diskussionen können zu Erfolgen führen.
Die Forschung geht fließend weiter: Die ursprüngliche Laufzeit des Projektes wurde bis April 2023 verlängert. Die Projektleitung liegt bei der H-BRS. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Die Kooperation ist sehr gut koordiniert und Hybrid-KEM dient als gutes Beispiel für fruchtbare Zusammenarbeit zwischen naturwissenschaftlicher und klinischer Grundlagenforschung. Weitere Projekte sollten unbedingt angestoßen werden.
Ihre Projektansprechpartner:innen
Prof. Dr. Steffen Witzleben
Projektleitung
Kooperationspartner und Förderer
Wir danken allen Kooperationspartnern und Förderern, die eine innovative Zusammenarbeit im Rahmen dieses Projekts ermöglicht haben. Insbesondere danken wir für die Unterstützung während der flutbedingten Einschränkungen der Nutzung unserer Arbeitsräume. Unser herzlichster Dank richtet sich hier auch an die Verantwortlichen beim VDI.